NACHGEFRAGT
Eine Akademie für Putzfrauen:
Adrian Gsell (40), Gründer einer Putzfrauenagentur, geht neue Wege.
Er erklärt, was den Schweizern beim Putzen wichtig ist und wie sich gute Putzleute verhalten sollen.
Sauber und aufgeräumt
Sie haben eine Putzakademie gegründet. Wo hapert es bei den Putzleuten in der Schweiz?
Sie kommen nicht immer klar mit der Administration oder beimUmgang mit Materialien. Wir kennen einen Fall, bei dem jemand einen vergoldeten Bilderrahmen mit Mikrofasern putzte, bis wir diesen ersetzen mussten. Nicht alle Putzkräfte wissen beispielsweise, dass Glasreiniger bei Chromstahl nicht eingesetzt werden darf.
Weitere Schwachstellen?
Wichtig ist die Kommunikation mit den Kunden, wenn jemand ausfällt oder wenn etwas kaputtgeht. Dann lohnt es sich, anzurufen statt nur einen Zettel zu hinterlassen. Teil der Arbeit ist, für ein gutes Gesamtbild einer Wohnung zu sorgen – wie Schuhe zusammenzustellen oder Kissen herzurichten. Bedeutend sind zudem Diskretion und Verschwiegenheit, wenn beispielsweise Briefe oder Magazine offen herumliegen.
Was ist den Schweizern bei der Sauberkeit besonders wichtig?
Sie legen neben der Sauberkeit Wert auf Ordnung. Ein Arzt war beispielsweise mit einer neuen Putzfrau nicht ganz zufrieden, obwohl diese von allen anderen Kunden gelobt wurde. Der Grund: Er hatte die Angewohnheit, seine Parfümflasche offen herumstehen zu lassen, und erwartete, dass diese jeweils an ihrem angestammten Platz hinter dem Spiegelschrank versorgt wird – mit aufgeschraubtem Deckel, selbstverständlich.
Gibt es einen Mangel an Putzleuten?
Gutes Personal für die Haushaltsreinigung zu finden, ist eine Herausforderung. Eine Wohnung mit all ihren Privatsphären wie Nasszellen oder Schlafzimmer zu reinigen, ist anspruchsvoller als ein Büro.
Wie viele Putzleute gibt es denn in der Schweiz?
Weil Züge, Flugzeuge, Büros und Arztpraxen gereinigt werden, ist es schwierig, genaue Zahlen zu eruieren. Sicher ist, dass pro Jahr 800 Millionen Franken mit Schwarzarbeit am Fiskus vorbeigewirtschaftet werden. Davon betreffen zehn Prozent die Reinigungsbranche. Zu diesen 80 Millionen Franken trägt allein das Reinigen in privaten Haushalten 60 Millionen Franken bei – eine enorme Summe.
Seit dem 1. Januar 2008 müssen Putzfrauen versichert werden, unabhängig von Gehaltshöhe und Anstellungsgrad. Was hat sich dadurch verändert?
Es wurde einfacher, potenzielle Kunden zu überzeugen, dass es falsch ist, Reinigungspersonal illegal zu beschäftigen. Aber seit sechs Monaten hat die Wirkung der dazu lancierten Kampagne nachgelassen. Kunden haben wieder angefangen, Putzleute vermehrt schwarz zu beschäftigen.
Interview: Reto E. Wild